Gelassen und gesund durch autogenes Training: So wirkt's, so geht's!

Dr. Melanie H. Adamek • 13. Juni 2023

Autogenes Training geht auch im Wald, etwa beim Waldbaden und Shinrin Yoku

„Meine Arme und Beine sind ganz schwer.“ „Meine Arme und Beine sind ganz warm.“ Mit diesen Sätzen beginnt es, das autogene Training. Neben so manchen Modebegriffen wie Zen-Meditation, Power-Yoga oder Kinesiologie klingt es – zugegeben – schon etwas unspektakulär. Völlig zu Unrecht, denn diese Entspannungstechnik ist nicht nur hoch effizient, sie ist auch leicht zu erlernen und kann problemlos in den (Berufs-)Alltag integriert werden. Auch beim Waldbaden und Shinrin Yoku funktioniert sie hervorragend!

Autogenes Training im Wald beim Im-Wald-Sein, Waldbaden, Forest Bathing, Shinrin Yoku

Üben aus dem Selbst

Die psychotherapeutische Selbstentspannungstechnik wurde 1932 vom Berliner Nervenarzt Johannes H. Schultz entwickelt. Wie schon der Name sagt, geht es darum, autogen zu trainieren, also aus dem Selbst heraus zu üben. Man versetzt sich in eine Art Selbst-Hypnose, die in verschiedenen Lebenssituationen einsetzbar ist und ein Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung herstellen soll. Die Übungen können stressbedingte Spannungszustände lösen und so den daraus folgenden gesundheitlichen Störungen vorbeugen. Gerade für Menschen, die sich nicht so gut bewegen können, ist das Autogene Training eine gute Methode, da nur das Gehirn arbeiten muss.

Abschalten, loslassen, erholen

Dreimal täglich fünf Minuten abschalten, loslassen, erholen. Kurz gesagt ist das der Sinn und Zweck des Autogenen Trainings. Durch Konzentration lässt sich ein Zustand der körperlichen und geistigen Entspannung herbeiführen, der dem Zustand des Einschlafens ähnlich ist. Man unterscheidet zwischen Grund- oder Unterstufe und Oberstufe. Hauptziel der Übungen der Grundstufe ist die Beeinflussung von körperlichen Vorgängen. Dabei geht es immer darum, mit Hilfe von positiven Formeln einen bestimmten Körperteil und später den ganzen Körper zu entspannen. Ganz wichtig ist es, dass der Übende seine eigenen Sätze und Formeln findet, mit denen er die gewünschten Entspannungszustände erreichen will. Diese Formeln werden dann in Gedanken ausgesprochen, man kann sie sich aber auch vorsagen. Während der Übungen versucht man, sich ausschließlich auf den eigenen Körper zu konzentrieren. 

Neue Lösungsansätze finden

Beherrscht man alle Teile der Grundstufe, so kann man zur Oberstufe übergehen. Bei ihr werden erweiterte Vorsatzformeln („Ich will…-Sätze“), Vorstellungen und Bilder eingesetzt, die das bewusste Nachdenken über selbst gewählte Lebenssituationen und auch die Selbsterkenntnis fördern. Übende können sich in verschiedenste Szenen hineinversetzen und diese real erleben. So kann man sich selbst in die Lage bringen, Probleme aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und neue Lösungen zu finden.

Übung macht den Meister

Die besten Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man das Autogene Training täglich und auch regelmäßig einsetzt. Gerade in der Übungsphase ist dies wichtig, damit sich Körper und Geist an einen Rhythmus gewöhnen können. Geübte können das Autogene Training jederzeit nutzen. Als Anfänger muss man schon ein wenig Zeit investieren, mit etwa einer Stunde pro Tag sollte man rechnen. Später lässt sich der gewünschte Entspannungszustand bereits innerhalb weniger Minuten erreichen. Das Schöne ist: Ist man erst einmal ein wenig routinierter, kann man das autogene Training jederzeit und überall einsetzen.

Haltung bewahren

Am besten übt man im Liegen oder beim entspannten Sitzen. Falls man im Liegen übt, muss man immer gerade und entspannt auf dem Rücken liegen. Im Sitzen gibt es mehrere Alternativen, z.B. die Droschkenkutscher-Haltung, aber auch die Lümmelhaltung oder entspanntes Sitzen sind gut zum Üben geeignet. Näheres dazu in meinem nächsten Blog-Post.

Individuelle Konzentration

Damit man sich von vornherein leichter tut, hilft es sehr, sich klar zu machen, welcher Konzentrationstyp man ist.

 

  • Konzentrieren Sie sich am besten beim Schreiben, so können Sie sich vorstellen, wie Sie die Formeln auf ein Blatt Papier aufschreiben. 
  • Wenn Sie optisch begabt sind, dann stellen Sie sich die konkrete Formel vor Ihrem geistigen Auge vor und lesen Sie z.B. von einem Papier ab. 
  • Sind Sie eher ein akustisch begabter Mensch, so können Sie sich die Formeln vorsagen oder sich gesprochen vorstellen.  

 

Schritt für Schritt

Die Grundübungen kann man, wenn man körperlich und seelisch gesund ist, ganz gut selbst erlernen, z.B. mithilfe eines Buches oder eines Hörprogramms. Es werden auch spezielle Kurse dazu angeboten. Meistens wird in Gruppen geübt. Eine Einführung dauert etwa 10 Stunden, dabei werden die Kursteilnehmer durch alle Übungen der Grundstufe geleitet. Will man vertieft einsteigen, so ist ein Kurs auf jeden Fall empfehlenswert, insbesondere für die Übungen der Oberstufe. 

Wem hilft es?

Autogenes Training eignet sich für alle gesunden Menschen, die sich entspannen wollen. Es kann auch dazu beitragen, Beschwerden und Erkrankungen zu lindern. Es eignet sich zum Beispiel bei: 

 

  • innerer Unruhe
  • Stresszuständen
  • Hyperaktivität
  • Schlafstörungen
  • Asthma
  • Bluthochdruck
  • Herz-/Kreislaufbeschwerden
  • Magenbeschwerden
  • Migräne
  • Muskelverspannungen
  • Schmerztherapie
  • Nikotinentwöhnung 

 

Wem schadet es? 

Nicht angewendet werden sollte das Autogene Training bei psychischen Belastungen, wie z.B. bei schweren Angstzuständen, Depressionen oder Wahnvorstellungen, da es durch die Konzentration auf den inneren Rückzug zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes kommen kann.

Was geschieht im Körper?

Die Schwere- und Wärmeübungen kurbeln die Durchblutung an und bewirken eine tiefgreifende Entspannung der Muskeln. Durch Autogenes Training kann man bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Abläufe des vegetativen Nervensystems nehmen. Das vegetative Nervensystem reguliert Atmung, Blutkreislauf, Stoffwechsel, Wärme- und Wasserhaushalt und ist vom Willen unabhängig. In Phasen der Anspannung überwiegt der vom Sympathikus gesteuerte Anteil, in Phasen der Ruhe die vom Parasympathikus gesteuerten Teile. Durch das Üben kann man den Anteil des Parasympathikus erhöhen.

IM-WALD-SEIN Tipp!

Im Wald macht Autogenes Training besonders viel Spaß. Vor allem, wenn man es mit der besten Freundin oder in einer Gruppe praktiziert. Die einzelnen Übungen kann man gut mit einem Waldspaziergang oder mit Aktivitäten kombinieren, die einem Spaß bereiten. So erhöht man die Motivation. Wer es unkompliziert ausprobieren möchte, nimmt sich einfach meinen kleinen Grundkurs Autogenes Training zur Hand. Eine andere wirksame Anregung, um schnell Stress loszulassen, finden Sie hier.

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